Das Maisparadoxon

Die heißen Tage haben dem Mais sichtlich zugesetzt, was auch daran liegt, dass die physiologische Reife erreicht worden ist. In diesem Jahr konnte der Mais, mit regelmäßigen Niederschlägen versorgt, sein standortspezifisches Ertragspotential gut bis sehr gut ausschöpfen. Das heißt primär, dass der Kolbenanteil mit halbem Anteil an der Gesamtpflanze relativ hoch ist. Die Kolben sind voll ausgekörnt, die Befruchtung im Juli ist ohne großen Stress verlaufen, die Kolbenanlage in der frühen Jugend determinierte nicht selten Spitzenwerte von 16 bis 18 Kornreihen. Der Jahresverlauf war zwar nicht heiß, jedoch lagen die Temperaturen klar über dem langjährigen Mittel.

Die Entwicklung des Maises folgt sehr genau dem Temperatursummenmodell. Höhere Durchschnittswerte führen daher zu einer schnelleren Entwicklung als üblich.

Die These, dass gute, ertragsstarke Maisjahre zu einem kurzen Erntezeitfenster mit oft überreifem Mais führen, kann allgemeingültig bestätigt werden. Die Begründung ist schnell erläutert: Der Kolben als wertgebender Bestandteil der Gesamtpflanze verliert deutlich schneller Wasser als die Restpflanze, man spricht von einer ansteigenden Trockensubstanz (TS). Die Restpflanze hat selten TS-Werte über 30 Prozent, der Kolben erreicht in diesen Tagen jedoch schnell Werte um 50 Prozent und darüber hinaus. Bei einem Kolbenanteil um 1/2, erreicht die Trockensubstanz der Gesamtpflanze daher schnell Werte über 40 Prozent. Für die Gesamtpflanze liegen die Idealwerte um 35 Prozent TS.  Bis etwa zu diesem Wert gleicht die Stärkeeinlagerung im Kolben die Verholzung der Restpflanze aus. Ab etwa 40 Prozent TS der Gesamtpflanze gibt es Probleme mit der Silierung, da das Erntegut nicht ideal verdichtet werden kann. Des Weiteren gibt es tatsächliche Masseverluste pro Flächeneinheit, da der Kolbenzuwachs die fortführende Seneszenz der Restpflanze nicht mehr vollständig ausgleichen kann. Spätestens mit dem Ende der Kornausbildung (black layer) gibt es massive Qualitätsverluste unter warmen, trockenen Bedingungen. In guten, ertragreichen Maisjahren täuscht der Mais daher optisch den Betrachter, er blendet mit einer noch grünen Restpflanze obwohl das optimale Erntezeitfenster bereits erreicht wurde. In diesen Tagen welken die Blätter bereits. Der beste Erntezeitpunkt ist daher deutlich überschritten.

Es darf als paradox bezeichnet werden, dass schwache Maisbestände mit geringen Kolbenanteilen zwar schlecht ernten (qualitativ wie quantitativ), jedoch ein breites Erntezeitfenster vorweisen, obwohl der Mais bereits optisch als vertrocknet wahrgenommen wird. Alles Gute kommt eben nie zusammen.

Mit welchen Managementstrategien Landwirte diesem Problem begegnen können, werden Sie im zeitigen Frühjahr in diesem Newsletter lesen können.