Stickstoffdüngung maritim oder kontinental
Standortvergleich Schwerin und Cottbus
Die meisten Landwirte wissen, dass man in Mecklenburg-Vorpommern besten Weizen ernten kann und in Brandenburg, vor allem im Süden, Roggenanbau dominiert. Zuerst wird natürlich die Bonität des Bodens genannt, wenn man fragt worin die Gründe liegen. In beiden Region gibt es natürlich Weizen- und Roggenstandorte. Aber auch wenn man einen vergleichbaren Standort auswählt, gibt es Unterschiede in der Ertragsfähigkeit.
Welchen Unterschied macht der Niederschlag?
Eine naheliegende Antwort zu Standortunterschieden ist die Niederschlagshöhe. Aber regnet es in Cottbus wirklich so viel weniger als in Schwerin? In der Gesamtsumme ist der Unterschied deutlich. In Schwerin beträgt das langjährige Mittel der letzten 120 Jahre 640 Millimeter pro Jahr, in Cottbus sind es 74 Millimeter weniger.
Niederschläge während der Ertragsbildung
Innerhalb der relevanten Phase für die Ertragsbildung sind die Unterschiede auf dem Papier nahezu irrelevant. Zwischen April und Juni (1981-2010) fielen in Cottbus in Summe knapp unter 150 Millimeter und in Schwerin knapp über 150 Millimeter Niederschlag. Im Juli können für beide Standorte knapp unter 70 Millimeter hinzugerechnet werden. Auch die Extremwerte sind nicht dramatisch unterschiedlich.
Niederschläge im Jahresverlauf
Die maßgeblichen Unterschiede liegen in den Monaten September bis Januar mit einer Differenz von fast 60 Millimeter Niederschlag für den genannten Zeitraum zu Gunsten von Schwerin. Die besseren Standorte mit einer höheren Wasserspeicherkapazität können von höheren Winterniederschlägen natürlich profitieren.
Maritimes gegenüber Kontinentalem Klima – Die Lage macht den Unterschied
Bei der Betrachtung der Lage auf der Landkarte ist ersichtlich, dass Schwerin ca. 50 km vor der Ostseeküste liegt und Cottbus ca. 300 km südöstlich davon im Binnenland. Der Standort Cottbus ist kontinental geprägt und Schwerin liegt unter einem deutlichen maritimen Einfluss. Das schlägt sich in den Temperaturen nieder, sowohl im Winter als auch im Sommer. Ein spät einsetzender Winter unter maritimen Einflüssen verlängert die Vegetationsperiode. Erste Frostereignisse sind deutlich später im Jahresverlauf. Die kontinentalen Standorte haben stärker ausgeprägte Temperaturschwankungen, sowohl beim Vergleich innerhalb des Jahres als auch bei den Tageswerten. Die Winter können also sehr kalt und die Sommer sehr heiß werden. Die Wahrscheinlichkeit von Eistagen ist bis Anfang März deutlich höher, die Wahrscheinlichkeit von Spätfrösten ebenso (Tabelle 1). Vor allem die Sommertage und die heißen Tage, welche bereits oft im Juni auftreten sind ertragsrelevant. Selbst bei einer guten Wasserversorgung bedeuten die hohen Temperaturen enormen Stress.
Tabelle 1: Vergleichende Temperaturstatistik für die Wetterstationen Cottbus und Schwerin, Quelle: DWD
Einheit | Schwerin | Cottbus | |
Jahresmitteltemperatur (1981 bis 2010) | °C | 9 | 9,6 |
Absolutes Minimum | °C | -27,0 | -29,5 |
Absolutes Maximum | °C | 36,9 | 38,9 |
Frosttage (Tmin <0 °C) | Anzahl | 71 | 80,7 |
Eistage (Tmax <0 °C) | Anzahl | 19,9 | 25 |
Sommertage (Tmax ≥25 °C) | Anzahl | 27,1 | 51,1 |
Heiße Tage (Tmax ≥30 °C) | Anzahl | 4,5 | 12 |
Luftfeuchtigkeit und Temperatur
Die Temperatur hat einen Einfluss auf den Sättigungsdampfdruck der Luft und auf die relative Luftfeuchtigkeit. Beide Kennwerte bestimmen die potentielle Verdunstung eines Pflanzenbestandes neben Sonneneinstrahlung, Windstärke und Bodenwasservorrat (Tabelle 2). Wenn die Temperaturen hoch sind, benötigt die Pflanze mehr Wasser, um sich zu kühlen, sie verdunstet also mehr Wasser aus dem Bodenvorrat.
Einfluss der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit auf die potentielle Verdunstung von Getreide im Mai und Juni nach Haude
Temperatur [°C] | Sättigungsdampfdruck | rel. Luftfeuchtigkeit* [%] | pot. Verdunstung [mm/d] |
5 | 8,7 | 95 | 0,2 |
15 | 17,0 | 75 | 1,5 |
25 | 31,6 | 60 | 1,5 |
30 | 42,3 | 54 | 7,0 |
35 | 56,1 | 50 | 10,1 |
Der Sättigungsdampfdruck ist eine Maßzahl für den Anteil an Teilchen, welche so viel Energie haben, dass sie von der flüssigen in die gasförmige Phase wechseln können. Je höher also der Sättigungsdampfdruck, desto mehr Wasser kann potentiell verdunsten.
Direkt an der Küste fällt die Luftfeuchtigkeit auch bei hohen Temperaturen nicht so stark ab, weil das Meer in Kombination mit Wind sehr viel mehr Wasser verdunsten kann. Nimmt die Temperatur zur Nacht hin ab, kann die Luft nicht mehr so viel Wasserdampf speichern, das Wasser fällt aus. Es entsteht Nebel. Dieser setzt sich als Tau auf dem Pflanzenbestand ab, ein weiterer Vorteil der Küstenregionen. Es bleibt festzuhalten, je kleiner die relative Luftfeuchtigkeit, desto höher ist die potentielle Verdunstung. In Cottbus ist die jährliche Sonnenscheindauer im Jahresdurchschnitt nahezu identisch (+ 5 Prozent). Daher ist der Einfluss eher gering.
Wasserverdunstung in Cottbus höher als in Schwerin
In Konsequenz ist die potentielle Verdunstung in Cottbus im Schnitt der Vegetationsperiode größer. Im Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2016 lag die durchschnittliche Maximaltemperatur in Cottbus vom 1. Mai bis 30. Juni 2,5 °C über der von Schwerin im selben Zeitraum. Die relative Luftfeuchtigkeit war in Cottbus 5,1 Prozent geringer. In Cottbus werden daher rechnerisch jeden Tag 0,8 mm mehr Wasser durch den Pflanzenbestand im selben ertragsrelevanten Zeitraum potentiell verdunstet. Ein 30er Boden kann in Schwerin einen vergleichbaren Pflanzenbestand daher eine Woche länger mit Wasser versorgen (Start 85 % nutzbare Feldkapazität, ohne zusätzlichen Niederschlag) bevor es zu Ertragsdepressionen kommt.
Nutzbare Feldkapazität und Transpiration
Die tatsächliche Verdunstung hängt maßgeblich von der real vorhandenen nutzbaren Feldkapazität des Bodens ab. Die nutzbare Feldkapazität liegt in den Grenzen der pF-Werte 1,8 und 4,2. Die Pflanze muss also bei einem nahezu wassergesättigten Boden eine Saugspannung von 101,8 cm Wassersäule (63 cm = 0,063 bar) überwinden, das ist einfach. Ab einer Saugspannung von 104,2 cm Wassersäule (15848 cm = 15.8 bar) kann die Pflanze kein Wasser mehr aus dem Boden entziehen. Das verbleibende Wasser ist das Totwasser. Es ist daher leicht nachzuvollziehen, dass die tatsächliche Verdunstung geringer ist als die potentielle Verdunstung, denn die Pflanze muss Energie aufwenden um an Wasser zu gelangen. Je weiter der nutzbare Bodenwasservorrat (nutzbare Feldkapazität) erschöpft ist, desto größer wird die relative Differenz von tatsächlicher zu potentieller Verdunstung sein, denn die Pflanze kommt immer schwerer an Wasser. Ist das der Fall beginnt die Pflanze die Transpiration zu drosseln. Dazu schließt sie die Spaltöffnungen (Stomata) und lebenswichtiges Wasser bleibt in den Zellen. Die Pflanze leidet nun aber an Hitze und durch die Sonnenstrahlung ausgelösten oxidativen Stress. Die geschlossenen Spaltöffnungen verhindern zusätzlich den Gasaustausch zwischen Pflanze und Umwelt. Die Pflanze hat daher nicht mehr ausreichend CO2 zur Verfügung, die Ertragsbildung kommt zum Erliegen, weil kein Kohlenstoff (C) mehr in primäre Pflanzenstoffe (Fette, Kohlenhydrate, Proteine) eingebaut werden kann. Weitere Energie muss zur Entgiftung aufgewendet werden usw.
Bedeutung von Lage, Temperatur und Feldkapazität für die Praxis
Kommen wir nun zu den praktischen Konsequenzen für den Ackerbau. Das Ertragspotential ist in Schwerin auf vergleichbaren Standorten höher als in Cottbus. Daher muss in Schwerin auch ein intensiverer Pflanzenschutz und eine andere Düngung in Betracht gezogen werden.
Küstennahe Standorte haben oft Probleme mit Mehltau, der benötigt nicht zwingend Blattnässe, eine hohe Luftfeuchtigkeit ist ausreichend für die Infektion. Des Weiteren ist Septoria tritici eine der Leitkrankheiten im Weizenanbau. Diese muss in Cottbus selten früh bekämpft werden. In Cottbus sind Roste die Leitkrankheiten, diese benötigen vor allem Wärme und kurzzeitige Blattnässe zur Infektion. Die für eine Septoria tritici nötige Blattnässe von 36 bis 48 Stunden wird in Cottbus nur selten erreicht. Daher kommen moderat gedüngte, gesunde Sorten in Cottbus oft mit einer fungiziden Fahnenblattbehandlung (BBCH 39-49) aus. In Schwerin muss oft bereits zu BBCH 30-32 trotz guter Resistenz-Eigenschaften eine Fungizid-Mischung gefahren werden.
Bei der Düngung sind die Unterschiede ebenso vorhanden, dennoch gibt es eine Gemeinsamkeit. Auf beiden Standorten sollte die erste Gabe mit ALZON®-Düngemitteln favorisiert werden. Der Grund liegt in den hohen Sickerwassermengen auf beiden Standorten, welche bis Ende März auftreten können. Wird früh, unstabilisiert gedüngt, besteht die Gefahr, dass der applizierte Stickstoff verlagert wird und sich bis zum Start der Vegetationsperiode unterhalb der aktiven Wurzelzone befindet. Bei der absoluten Höhe der ersten Gabe unterscheiden sich die Standorte nicht zwingend. Auf beiden Standorten können 80 bis 120 kg N appliziert werden.
Düngeempfehlung Cottbus
In Cottbus sollten aber 3/4 der Bedarfs-N-Menge (140 kg N/ha; 60dt C-Weizen/ha, bei 40 kg Nmin) um den Vegetationsbeginn gegeben werden (140*0,75=105 kg N). Bleibt das Wetter gut, können zu BBCH 39 nochmal 35 kg/ha N nachgedüngt werden. Ist das Wetter bereits im April und Mai sehr trocken und trat bereits erheblicher Stress auf, so kann man sich die 2. Gabe sparen.
In Cottbus muss die Düngung zu BBCH 39 abgeschlossen sein, ab Anfang Juni gibt es in der Regel enorme Hitze mit Temperaturen zwischen 25 °C und 30 °C, immer öfter auch über 30 °C. In dieser Zeit fehlt es oft bereits an Niederschlägen aus dem Monat Mai. Das hat zusätzlich Trockenstress (hohe Saugspannung) zur Folge. Das führt dazu, dass die Bestände schnell abreifen und die Proteineinlagerung sowie die Stärkeeinlagerung gestört sind. Oft bleiben Qualität und Ertrag hinter den Erwartungen zurück. Unter diesen Bedingungen kann man von einer frühen, stabilisierten und damit bedarfsgerechten Ammoniumernährung profitieren. Ein hervorragendes Wurzelwachstum, ein optimaler Bestandsaufbau ohne krankheitsfördernden Luxuskonsum kann unter den Stressbedingungen die Erträge stabilisieren und die Intensität (Fungizid, Wachstumsregler) herabsetzen. Damit bleibt für den Landwirt am Ende mehr auf der Habenseite.
Düngeempfehlung Schwerin
In Schwerin kann die Startgabe ebenfalls 105 kg betragen, das entspricht der Hälfte der Bedarfs-N-Menge (205 kg N/ ha; 90 dt A-Weizen/ ha bei 40 kg Nmin) wenn man eine 3 Gaben Strategie verfolgt. Weitere Gaben können dann zu BBCH 37/39 und 59/65 erfolgen. Bei der stabilisierten Düngung sind zwei Düngegaben ausreichend. Dabei kann die erste Gabe 140 kg/ha N betragen.
In Schwerin reifen die Bestände nicht so schnell ab, der Weizen hat durchaus noch späten N-Bedarf, denn durch die geringere tatsächliche Verdunstung ist der Stress im Juni längst nicht so hoch, auch wenn lange kein ergiebiger Regen mehr gefallen ist. Das hat zur Folge, dass die Proteineinlagerung, welche zügig nach der Blüte beginnt, sehr gut funktioniert. Die zusätzlich einsetzende Stärkeeinlagerung verdünnt zwar das Protein aber die bessere Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit lassen Stärkeeinlagerung und Proteineinlagerung lange zu. Die Bestände werden später reif und haben daher auch einen langen Nährstoffbedarf. Eine späte Qualitätsgabe zu BBCH 59/61 kann durchaus für die Absicherung der Proteinkonzentration förderlich sein. Der Ertrag wird durch den zusätzlichen Stickstoff nicht mehr stark beeinflusst. Zum Ende der Kornfüllung wird hauptsächlich Stärke eingelagert, dieser Sachverhalt führt in ertragsstarken Jahren zum Verdünnungseffekt. In Schwerin kann durch die im Vergleich zu Cottbus länger in den Juli hineinreichende Ertragsbildung noch zusätzlich Niederschlag genutzt werden, ein weiterer Ertragsvorteil.
Für die Qualitätsgabe ist PIAGRAN® pro zu empfehlen. Durch den Ureaseinhibitor ist die Ausnutzung des Stickstoffs auch unter trockenen Bedingungen hervorragend. Erstens werden potentielle Ammoniakverluste deutlich reduziert, und zweites führt die kurzzeitige Verzögerung der Umwandlung von Harnstoff zu Ammonium zu einem guten eindringen des Düngers in den Boden. Harnstoff ist sehr gut wasserlöslich, wird das Düngekorn nun aber durch Niederschlag, Tau oder Kapillarwasser gelöst, so verdünnt sich der Ureaseinhibitor sehr schnell und die Umwandlung von Harnstoff zu Ammonium passiert innerhalb von wenigen Stunden.