Reportage: Saatmaisvermehrung – Wie gelangt das Saatgut in die Tüte?
Mais ist flächenmäßig eine der größten Ackerkulturen in Deutschland. Fast jeder Betrieb baut ihn an. Üblicherweise gelangt das Saatgut in verschiedenfarbigen Tüten zu Einheiten von je 50.000 Körnern auf den Hof. Doch wie erfolgt die Saatmaisvermehrung und wie gelangen die Körner in die Tüte?
Hybridsorten
Beim Mais gibt es fast ausschließlich Hybridsaatgut. Hybridsorten bestehen aus zwei unterschiedlichen homozygoten Inzuchtlinien, die gezielt miteinander gekreuzt werden müssen. Nur so entstehen die leistungsfähigen Maissorten, die sich aktuell im Anbau befinden. Allerdings können Hybridsorten nicht nachgebaut werden, weil die vorzüglichen Eigenschaften nur in der ersten nachkommenden Generation ausgeprägt sind. Daher muss das Saatgut jedes Jahr neu vermehrt werden. Saatmais stellt besonders hohe Anforderungen an Qualität und Ausreife. Daher wird Maisvermehrung nur in klimatisch begünstigten Anbaugebieten betrieben. Das meiste Saatgut für den deutschen Markt wird in Frankreich, Ungarn, Österreich und Rumänien produziert. Die größte Vermehrungsfläche Deutschlands befindet sich mit ca. 3750 Hektar in Südbaden am Oberrhein.
Flächenwahl, Vorbereitung und Bodenbearbeitung
Entscheidend für die erfolgreiche Saatmaisvermehrung ist die richtige Flächenwahl. Um eine unerwünschte Befruchtung mit fremden Maissorten zu vermeiden, ist ein Abstand von mindestens 200 Metern zu anderen Maisbeständen einzuhalten. Darüber hinaus sollten die Vermehrungsflächen mit mehreren Reihen der Vaterpflanzen umschlossen sein, um eine ausreichende Isolation von fremder Genetik zu gewährleisten. Saatmais wird ausschließlich in klimatisch begünstigten Lagen mit genügend Temperatursummen und Sonnenstunden vermehrt, um eine gute Entwicklung und ausreichende Abreife der Maiskolben zu erzielen. Die bei der Vermehrung eingesetzten Vater- und Mutterkomponenten sind vom Wuchs und der Wurzelausbildung häufig deutlich schwächer als die klassischen Hybridsorten im konventionellen Anbau. Daher sind eine gute Bodenstruktur, Wasseranschluss und Nährstoffversorgung wichtig. Durch mehrmalige flache Bodenbearbeitung und Pflugfurche im Herbst wird für ein gutes Bodengefüge gesorgt. Darüber hinaus wird das Samenpotential und Problemunkräuter bzw. -ungräser wie Diestel, Winde, Quecke und Hirse deutlich reduziert. Deren Bekämpfung ist im Bestand selbst häufig nur sehr eingeschränkt möglich.
Beregnung und Trockenstress
Die Elternkomponenten reagieren sehr empfindlich auf Trockenheit. Trockenstress reduziert die Pollenausschüttung, Befruchtungsleistung, Kornausbildung und somit die produzierte Saatgutmenge erheblich. Daher ist eine ausreichende Wasserversorgung über die gesamte Vegetationsphase äußerst wichtig. Gegebenenfalls muss durch mehrmalige Beregnung gegengesteuert werden. Besonders kritisch ist der Zeitpunkt zur Befruchtung und die Zeit unmittelbar im Anschluss.
Aussaat
Der richtige Aussaatzeitpunkt ist für die gleichmäßige und schnelle Keimung und das Auflaufen des Saatgutes entscheidend. Die Aussaat sollte erst ab einer dauerhaften Bodentemperatur von über 10 °C erfolgen. Andernfalls können niedrige Temperaturen die Keimlinge und Jungpflanzen schädigen, was zu ungleichmäßiger Abreife, schlecht gefüllten Kolben oder im Extremfall kolbenlosen Pflanzen führt. Bei ungleichmäßigen Beständen ist das spätere Entfahnen der Mutterpflanzen stark erschwert.
Im Unterschied zum konventionellen Maisanbau, wo nur eine Sorte je Feld angebaut wird, stehen auf Verwehrungsflächen verschiedene Vater- und Mutterlinien nebeneinander. Die Aussaat erfolgt beim Saatmais gewöhnlich in mehreren Etappen. Auf zwei Dritteln der Fläche stehen die Mutterpflanzen, die die Kolben für die Saatgutvermehrung ausbilden. Auf dem restlichen Drittel der Fläche stehen die Vaterpflanzen, die den Pollen für die Bestäubung erzeugen. Zuerst werden gewöhnlich vier Reihen mit Mutterlinien gesät, da die weiblichen Fruchtstände gewöhnlich erst nach der männlichen Pollenbildung befruchtet werden können. Circa ein bis zwei Wochen später werden dann zwei bis drei Vaterreihen daneben gesät. Um eine kontinuierliche Pollenschüttung und kontinuierliche Befruchtung zu ermöglichen, werden die einzelnen Vaterreihen in mehreren Etappen im Abstand von wenigen Tagen gesät.
Düngung
Die Düngung von Saatmais unterscheidet sich nicht grundlegend von der konventionellen Produktion. Das Wurzelsystem der Elternlinien ist häufig schwächer ausgebildet als das der Hybridsorten, dass auf ihren Feldern zum Einsatz kommt. Somit ist auch das Nährstoffaneignunsgvermögen reduziert. Das macht eine effiziente Düngung und ausreichend hohe Nährstoffkonzentration im Wurzelbereich umso wichtiger, um den Vorgaben der Düngeverordnung (DüV) und dem Pflanzenbedarf gerecht zu werden. Eine Einmalgabe des gesamten N-Bedarfs vor der Saat mit ALZON® neo-N bietet sich hier an. Darüber hinaus sollte auf eine ausreichende Versorgung mit Schwefel, Phosphor, Kali und Magnesium geachtet werden. Spurennährstoffmangel bei Zink, Bor, Kupfer und Eisen verursacht eine schlechte Einkörnung und muss unbedingt vermieden werden.
Pflanzenschutz
Bereits im Vorfeld lassen sich durch mechanische Bodenbearbeitung das Unkrautpotential und Problemunkräuter deutlich reduzieren. Anschließend erfolgt die Herbizidbehandlung überwiegend im Vorauflauf. Inzuchtlinien sind während der Jugendentwicklung gegenüber einigen Wirkstoffen sehr empfindlich, daher sollte diese Maßnahme als Unterblattspritzung erfolgen. Der Maiszünsler ist der bedeutendste Schädling in der Region. Eine Bekämpfung mit Trichogramma-Schlupfwespen gehört hier zum Standard.
Entfahnen und Pflege
Mais ist eine einhäusig, getrennt geschlechtliche Pflanze. Das bedeutet, auf einer Pflanze befinden sich sowohl weibliche Fruchtstände (Kolben und Narbenfäden) als auch die männlichen Blüten (Fahne, Rispe). Diese sind jedoch getrennt voneinander an unterschiedlichen Pflanzenteilen. Bei der Hybridmaiserzeugung ist eine gelenkte Bestäubung extrem wichtig. So wird die genetische Eigenschaft der männlichen Pflanze mit der der weiblichen vereint. Um eine Selbstbefruchtung zu vermeiden, werden die männlichen Blütenstände der Mutterlinien entfernt. Das sogenannte Entfahnen der Mutterlinie sollte nach dem Rispenschieben und noch vor dem Beginn der Blüte erfolgen. Hierfür ist nur ein kurzes Zeitfenster von wenigen Tagen verfügbar. Das Entfahnen erfolgt überwiegend mechanisch mit entsprechenden Entfahnungsmaschinen. Dabei wird der obere Pflanzenbereich auf einer definierten Höhe abgeschnitten und somit die Fahne entfernt. Hierfür ist ein homogener Bestand mit gleichmäßig großen Pflanzen wichtig. Durch das Entfahnen werden die Bestände außerdem auf ein gleiches Entwicklungsniveau gebracht. Anschließend müssen die Bestände regelmäßig kontrolliert werden und gegebenenfalls manuell entfahnt werden, um noch vorhandene Blütenstände zu entfernen. Auf der händischen Entfernung von Fremdtypen (entsprechen nicht dem Erscheinungsbild des übrigen Bestandes) wird größtmögliche Aufmerksamkeit gelegt, damit keine Verunreinigung des Maissaatgutes zustande kommt. Für die Erzeugung von qualitativ hochwertigem Maissaatgut gibt es eine extrem niedrige Toleranz für nicht vollständig entfahnte Pflanzen, die bei Missachtung zur Aberkennung des gesamten Bestandes als Saatmais führen. Nur die Kolben der Mutterlinie werden später geerntet und als hochwertiges Hybridsaatgut vermarktet. Daher werden nach Abschluss der Blüte die Bestäuberreihen (Vaterpflanzen) gehäckselt oder gemulcht.
Ernte
Die Ernte erfolgt im Zeitraum von Anfang September bis Anfang November und beginnt sobald die physiologische Reife abgeschlossen ist. Im Unterschied zum klassischen Körnermais werden beim Saatmais die Körner mitsamt Kolben geerntet. Nur die Lieschblätter werden entfernt. Hierfür ist ein spezieller Kolbenpflücker zur Ernte im Einsatz. Anschließend werden die Kolben ins Maiswerk gebracht und die Körner an der Spindel getrocknet. Diese sind die Grundlage für das qualitativ hochwertige Saatgut, dass bei Ihnen zum Einsatz kommt.