Weidelgras, der neue Ackerfuchsschwanz?

Während Ackerfuchsschwanz seit Jahrzehnten als problematisches Ungras in Deutschland etabliert ist, gewinnt seit einigen Jahren ein weiteres Ungras an Bedeutung: das Weidelgras. Dabei ist es wichtig, zwischen den verschiedenen Weidelgräserarten zu unterscheiden. Während das Deutsche Weidelgras (Lolium perenne L.) in Resistenzuntersuchungen kaum eine Rolle spielt, breitet sich das Welsche Weidelgras (Lolium multiflorum L.) zunehmend aus. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen ist es aufgrund seiner ganzjährigen Keimung durch die Fruchtfolge schwerer zu bekämpfen als Ackerfuchsschwanz. Eine einfache Fruchtfolgeumstellung reicht oft nicht aus. Zum anderen wird es durch Erntemaschinen stärker verbreitet, da der Samen vor der Ernte weniger stark ausfällt, was die aktive Verbreitung beschleunigt. Zudem handelt es sich beim Welschen Weidelgras um eine „ausgewilderte" Sorte, wodurch Standortpräferenzen eine untergeordnete Rolle spielen.

Trotzdem gibt es Möglichkeiten, dem Weidelgras entgegenzuwirken. Weidelgräser haben oft keine oder nur eine geringe Keimruhe. Dies bietet die Möglichkeit, durch entsprechende flache Bodenbearbeitung vor der Aussaat viele Pflanzen zum Auflaufen zu bringen. Somit hat auch die Fruchtfolge einen indirekten Einfluss, denn Sommerungen können längere Bodenbearbeitungsfenster ermöglichen und mehrere Arbeitsgänge zulassen.

Die chemische Bekämpfung bleibt vorerst die wichtigste Option, um den Befall und die Verbreitung einzudämmen. Seit 2019 beobachten wir eine deutliche Zunahme der Verbreitung des Weidelgrases. Bei einem deutschlandweiten Monitoring im Jahr 2023 wurden 42 Felder identifiziert, auf denen in den Jahren 2019 bis 2022 kein Weidelgrasbefall vor der Ernte als Überlebende der Herbizidbehandlung festgestellt wurde, dieser jedoch nun erstmals auftrat. Positiv ist, dass oft nur wenige Pflanzen gefunden wurden, die zudem meist sensitiv auf die getesteten Herbizide reagierten. Dies deutet darauf hin, dass häufig sensitives Saatgut auf die Felder gelangt. In 19 % der Fälle wurden jedoch Minderwirkungen gegenüber mindestens einem Herbizid festgestellt. Auch in unseren Resistenzuntersuchungen wird das Weidelgras von Landwirten immer häufiger eingesendet, derzeit etwa 15 % der Proben. Aus Frankreich erreichen uns dagegen 80 % der Proben mit Weidelgras.

Bei den einzelnen Herbiziden ist festzustellen, dass sowohl bei den ACCase- als auch bei den ALS-Hemmern Resistenzen gefunden wurden. Beide Wirkstoffgruppen sind gleichermaßen betroffen. Sowohl bei getreideselektiven Produkten als auch bei Mais- und Rapsherbiziden wurden Resistenzen beobachtet. Erschwerend kommt hinzu, dass auch Bodenherbizide wie Flufenacet häufiger in den von Landwirten eingesendeten Proben von Resistenzen betroffen sind. Hier ist eine Kombination mit weiteren Wirkstoffen im Herbst notwendig, um hohe Wirkungsgrade zu erzielen. Prosulfocarb zeigte in den Tests häufig eine bessere Wirkung als bei Ackerfuchsschwanz. Da Weidelgras in der Regel schneller aufläuft und eine schnellere Jugendentwicklung hat, ist der optimale Applikationszeitpunkt im Vorauflauf kurz nach der Aussaat.

In Zukunft werden wir vermehrt Flächen mit Weidelgras sehen, auf denen heute schon (resistenter) Ackerfuchsschwanz oder Windhalm wächst. Dadurch wird die Komplexität für die Betriebe zunehmen, da oft beide Arten mit unterschiedlichem Resistenzniveau auf denselben Flächen auftreten werden. Es gilt daher für die Betriebe, den Eintrag von Weidelgras zu minimieren und die ersten Nester im Getreide konsequent zu entfernen, um das Problem zu verlangsamen. Um die richtige Strategie für die kommenden Jahre zu wählen, sollten Landwirte ihre Flächen kritisch begutachten und im Zweifelsfall eine Resistenzuntersuchung durchführen lassen. Eine schlechte Wirkung aufgrund eines nicht wirksamen Herbizids ist nicht nur optisch ärgerlich, sondern kostet Ertrag und verstärkt zudem das Weidelgrasproblem.

Dr. Johannes Herrmann

Agris42 GmbH